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Tax Due Diligence im Mittelstand – Warum sie zur Königsdisziplin gehört

Zwischen Pflicht und strategischer Kür

Die Tax Due Diligence wird im Mittelstand häufig missverstanden – insbesondere dann, wenn sie als bloße Pflicht zur Risikovermeidung, steuerlichen Konformität und Haftungsfreistellung der Geschäftsführung (z. B. nach § 43Abs. 1 GmbHG bzw. § 93Abs. 1 AktG) interpretiert wird. Zweifellos erfüllt sie diese Funktionen – doch ihre eigentliche Stärke liegt tiefer.

Erfahrungsgemäß ist die steuerliche Unternehmensprüfung eines der wichtigsten Instrumente, um den Kaufpreisrisikoadäquat anzupassen – im Sinne eines fairen Interessenausgleichs zwischenKäufer und Verkäufer. Dieses Potenzial bleibt jedoch ungenutzt, wenn die TaxDue Diligence als rein steuerrechtliche Compliance-Aufgabe verstanden wird.

Tatsächlich entfaltet sie ihren vollen strategischen Mehrwert nur dann, wenn mindestens drei Fachgebiete eng verzahnt zusammenarbeiten:

  1. das Steuerrecht zur Identifikation und Würdigung der Risiken,
  2. die Betriebswirtschaftslehre zur Quantifizierung und Bewertung der Risiken,
  3. sowie das Zivilrecht, um die Ergebnisse rechtssicher in den Unternehmenskaufvertrag zu übertragen.

Eine wirksame Tax Due Diligence ist somit kein reines Steuerprojekt – sondern ein zentraler Hebel zur risikoadäquaten Kaufpreisgestaltung.

Die Steuerrechtliche Perspektive: Grundlage der Tax Due Diligence

Im steuerlichen Teil der Tax Due Diligence geht es nicht nur um die Prüfung vergangenheitsbezogener Steuerdaten, sondern um eine vorweggenommene Betriebsprüfung im Auftrag des Käufers. Ziel ist es, steuerliche Risiken systematisch zu identifizieren, zu bewerten und dokumentiert offenzulegen – bevor die Finanzverwaltung dies tut.

Die Prüfung erfolgt anhand einer individuell angepassten Checkliste und beleuchtet typische Problemfelder im ertragsteuerlichen, umsatzsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Bereich, als auch im Fall von grenzüberschreitenden Sachverhalten mit verbundenen Unternehmen unzureichend dokumentierte Verrechnungspreise (§ 1 AStG). Auch die Nichtabführung von Kapitalertragsteuer, Übertragung schädlicher Verlustvorträge oder formale Fehler bei der Transaktionsstrukturierung bergen erhebliche Risiken.

Das Ergebnis ist ein strukturierter Bericht, der jedes relevante Risiko beschreibt und – soweit möglich – eine Bandbreite potenzieller steuerlicher Folgen aufzeigt. Der Bericht stellt damit eine fundierte Momentaufnahme dar, liefert einen fachlich wertvollen Vorgriff auf spätere Betriebsprüfungen, schafft Transparenz für weitere Verhandlungen und hat Einfluss darauf, ob wertbeeinflussende Faktoren bereits vor Vertragsabschluss bekannt waren.

In der Praxis endet der Analyseprozess jedoch häufig an dieser Stelle. Der Bericht bleibt unverwertet, Risiken werden zwar dokumentiert, aber die Quantifizierung dieser Risiken in den Kaufpreis kann sich schwierig gestalten. Dabei kann es gerade hier hilfreich sein, steuerliche Unsicherheiten betriebswirtschaftlich weiterzuentwickeln – etwa durch Wahrscheinlichkeitsmodelle oder Simulationen. Erst die quantitative Ableitung konkreter Kostenbandbreiten erlaubt es, Risiken in konkrete Preisverhandlungen, Vertragsgarantien oder Freistellungen zu überführen.

Die betriebswirtschaftliche Perspektive zur Quantifizierung: Grundlage der Kaufpreisverhandlung

Die rein steuerliche Analyse liefert wertvolle inhaltliche Grundlagen – doch mit der betriebswirtschaftlichen Bewertung verleiht diese den Ergebnissen der Tax Due Diligence zusätzliche, quantifizierbare Verhandlungskraft. Denn eine potenzielle Nachzahlung von „bis zu 2.000.000 Euro“ ist nicht genau genug und kaum verhandlungsfähig. Genau hier setzt die betriebswirtschaftliche Perspektive an.

Die betriebswirtschaftliche Analyse folgt einem strukturierten Drei-Schritt-Modell:

  1. Quantifizierung der identifizierten Risiken durch sachgerechte Schätzung potenzieller Steuerfolgen – etwa aus verdeckten Gewinnausschüttungen, fehlerhaften Verrechnungspreisen oder nicht anerkannten Pensionsverpflichtungen.
  2. Bewertung dieser Risiken durch die Zuordnung plausibler Eintrittswahrscheinlichkeiten. Diese basieren auf Erfahrungswerten aus Betriebsprüfungen, auf Vergleichsfällen oder der Einschätzung spezialisierter Berater. Aus der Kombination von Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit ergibt sich ein Erwartungswert je Risiko.
  3. Darstellung im Gesamtbild, entweder durch eine einfache Szenarioanalyse oder – in komplexeren Fällen – durch eine statistische Simulation. Die Szenarioanalyse vergleicht typischerweise einen Best Case, einen Base Case und einen Worst Case. Sie ist besonders im Mittelstand gut geeignet, da sie verständlich, pragmatisch und kommunikationsfähig ist – etwa gegenüber Gesellschaftern, Finanzierungspartnern oder dem Verkäufer. In Fällen mit vielen oder besonders unsicheren Einzelrisiken kann alternativ z.B. ein Value at Risk (VaR) berechnet werden. Dieser gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Gesamtschaden eine bestimmte Grenze nicht überschreitet. Der zusätzliche Aufwand für ein solches Modell ist allerdings nur in seltenen komplexen Fällen mit zahlreichen Einzelrisiken gerechtfertigt. Außerdem muss eine belastbare Datenbasis vorhanden sein, um verlässliche Aussagen treffen zu können. In der Praxis ist diese erforderliche Datenbasis allerdings oft nicht belastbar, die Wahrscheinlichkeiten beruhen meist auf subjektiven Einschätzungen statt auf historischen Marktwerten, und viele steuerliche Risiken treten diskret und nicht linear auf – was klassische VaR-Modelle nur eingeschränkt abbilden können.

Unabhängig von der Methode gilt: Erst die betriebswirtschaftliche Bewertung macht steuerliche Risiken zahlentechnisch verhandelbar – sei es durch Kaufpreisabschläge, vertragliche Garantien oder bilanzielle Rückstellungen. Damit wird die Tax Due Diligence nicht nur dokumentiert, sondern gezielt wirtschaftlich nutzbar gemacht.

Die Zivilrechtliche Perspektive: Absicherung steuerlicher Risiken im Unternehmenskaufvertrag

Für den Käufer endet die Tax Due Diligence nicht mit der Risikoidentifikation – sie muss in einer vertraglichen Absicherung münden. Üblich im Rahmen der Tax Due Dilligence sind Steuerklauseln. Auf diese Weise kann sich der Käufer vor steuerlichen Altschulden schützen, welche potentiell erst im Rahmen einer Außenprüfung zu einer wirtschaftlichen Belastung werden können. Die aus der Tax Due Dilligence gewonnenen Erkenntnisse können nun im Rahmen der Formulierung von Garantien bzw. Freistellungen genutzt werden. Die Ausgestaltung der Klauseln hängt dabei von der Gesellschaftsform (Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften) und der Art des Unternehmenskaufs (Share Deal oder Asset Deal) ab.

Besonders relevant für den Käufer ist zudem eine Freistellung für etwaige Steuernachforderungen aus Veranlagungszeiträumen vor dem Übertragungsstichtag – einschließlich Nebenleistungen wie Zinsen oder Beratungskosten. Damit solche Regelungen in der Praxis greifen, sollten sie durch klare Haftungsschwellen (de-minimis), Summenbegrenzungen (baskets) und Haftungshöchstbeträge (caps) ergänzt werden. Für steuerliche Garantien gelten dabei häufig eigene Schwellenwerte, da steuerliche Risiken erfahrungsgemäß schneller zu größeren Beträgen führen.

Da Betriebsprüfungen oft Jahre nach der Transaktion stattfinden, empfiehlt sich zusätzlich eine spezifische Verjährungsregelung, die nicht an die gesetzliche Frist, sondern an die Bestandskraft der Steuerbescheide anknüpft als auch den Verjährungsbeginn konkret benennt. Um den Verkäufer zur Mitwirkung zu verpflichten, sollte vertraglich ein Recht auf Beteiligung an Betriebsprüfungen vereinbart werden, soweit diese Zeiträume vor dem Übergang betreffen. Nur wenn die im Rahmen der Due Diligence erkannten Risiken auch zivilrechtlich konsequent abgesichert sind, lässt sich die wirtschaftliche Zielsetzung des Käufers im Transaktionsprozess nachhaltig schützen.

Fazit: Mehr als nur ein Haken auf der Checkliste

Die Tax Due Diligence ist im Mittelstand weit mehr als eine Pflichtprüfung zur Risikodokumentation – sie ist ein strategisches Instrument zur aktiven Steuerung des Unternehmenskaufs. Ihre volle Wirkung entfaltet sie nur, wenn steuerliche, betriebswirtschaftliche und zivilrechtliche Perspektiven konsequent zusammengeführt werden. Wer steuerliche Risiken nicht nur identifiziert, sondern auch quantifiziert und zivilrechtlich absichert, schafft die Grundlage für informierte Entscheidungen, tragfähige Kaufpreise und rechtssichere Verträge. Gerade in mittelständischen Transaktionen, in denen jedes Risiko zählt, wird die Tax Due Diligence damit zur Königsdisziplin – wirtschaftlich und rechtlich.

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